Allgemein

Peter Stamm verwewigt Galgevögel in „Seerücken“
Hansjörg Enz
April 16th, 2015
„Sie zeigte mit dem Finger auf einen Namen, beugte sich über den Tisch und sagte ganz nah an seinem Ohr, die will ich hören. Er las den Namen der Gruppe, Galgevögel, und zuckte mit den Schultern. Nie gehört.“ Die Zeilen stammen aus der Geschichte „Siebenschläfer“ von Peter Stamm, erschienen in seinem Erzählband Seerücken*.
Wir Galgevögel sind nicht nur erwähnt, das Lied „blieb no do“ aus der CD „verschiede glich“ spielt in Siebenschläfer eine wichtige Rolle. Der Siebenschläfer ist Alfons, ein wenigweiberfahrener Bauer auf den Seerücken. Bei seinem Hof findet ein Open Air statt. Die Veranstalter beziehen dafür Strom und Wasser von ihm. Alfons erhält Freibillette, wagt sich ans Konzert und dort beginnt eine Romanze mit Lydia, der Dorflehrerin. „Dann kam die Gruppe, die Lydia hatte hören wollen, vier Männer um die fünfzig (..), der eine ist beim Fernsehen, der da. Es war keine Tanzmusik, aber viele im Publikum schienen die Lieder zu kennen, sangen mit und tanzten, so gut es eben ging. Alfons stand dicht neben Lydia. Während einer Ballade lehnte sie sich an ihn, und er legte seine Hände um ihre Taille und spürte ihre Bewegungen. Blib no do, sangen die Männer, chasch mi doch so nöd verlo.“
Da tönt nach Romanze mit raschem Happy End. Aber so einfach ist es nicht in den Geschichten von Peter Stamm. Die Geschichte endet immerhin mit diesen Sätzen:
„Da trat er auf sie zu und wischte mit dem Daumen die Träne weg und küsste sie, erst auf die Stirn, dann auf den Mund. Geh nicht, flüsterte er, geh noch nicht.“
Wir hätten uns natürlich noch mehr gefreut, wenn in den Anmerkungen in Seerücken erwähnt worden wäre, dass es die Galgevögel wirklich gibt und dass die Zeile „ Blib no do, chasch mi doch so nöd verlo“ aus einem Lied der Gruppe stammt. Peter Stamm schrieb auf Anfrage, dass solche Anmerkungen im deutschen Literaturbetrieb nicht üblich seien. Wir hoffen aber, dass wir ihn an einem unsrer Konzerte sehen werden. Für das Jubiläumskonzertkonzert entschuldigte er sich damals mit diesen Worten: „ the galgevögel will never die, also habe ich bestimmt eine andere gelegenheit.“
* Peter Stramm (2013) : Seerücken, Frankfurt, Verlag Fischer.
Ein schön gemachte handliche Ausgabe von Seerücken gibt es in der Reihe Fischer TaschenBibliothek.